PM: Breite Unterstützung bei Solidaritätskundgebung

5 Monate Sierra Leone Protestcamp

Wir sind immer noch hier draußen, und es geht uns nicht gut. (Teilnehmer des Protestcamps)

Bei einer Kundgebung am Sierra Leone Protestcamp (Georg-Freundorfer-Platz) am 12.3.2022 in München zeigten über 200 Menschen Solidarität mit den protestierenden Geflüchteten und ihren Forderungen.

Die Geflüchteten demonstrieren bereits seit fünf Monaten in einem Dauerprotestcamp an unterschiedlichen Orten in München.

Dem Aufruf der Geflüchteten, Solidarität aktiv durch Rede-, Musik- oder andere Beiträge zu zeigen, ist eine überwältigende Zahl an Organisationen und Menschen gefolgt.

Die Forderungen der Geflüchteten nach Bleibeperspektiven für Geduldete, einem Ende der Arbeitsverbote und einem Stopp von Abschiebungen wurden einhellig unterstützt.

Die Vertreter*innen des Protestcamps bedankten sich für die Unterstützung durch Kirche, die Stadt München, Menschenrechtsorganisationen und Unterstützer*innen. Sie erinnerten jedoch auch daran, dass sie trotz fünf Monaten Dauerkundgebung bei Minusgraden und Eiseskälte noch immer keine Antwort durch die verantwortlichen Politiker*innen der bayerischen Landespolitik bekommen haben.

Die Kundgebung wurde musikalisch untermalt, unter anderem durch den sierra-leonischen Künstler Lukz Blame, die Express Brass Band und die Künstlerin QUEEN Lizzy, die spontan auftrat.

Neben Redebeiträgen der Geflüchteten des Protestcamps sprachen die Vertreter*innen des Stadtrats Barbara Likus (SPD), Nimet Gökmenoğlu (Grüne) und Thomas Lechner (Linke), sowie Modupe Laja (Eine Welt Haus), Sibylle Stöhr (Vorsitzende des Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe), Hamado Dipama (Migrationsbeirat), Jana Weidhaase (Bayerischer Flüchtlingsrat), Seebrücke München und Renate Spannig von der Caritas München.

Anbei dokumentieren wir einige Zitate aus Redebeiträgen:

Umar Barrie, Teilnehmer des Protestcamps: Vor fünf Monaten haben wir diese Kampagne gestartet, aber enttäuschenderweise haben wir bis jetzt keine vernünftige Antwort bekommen. Deshalb ist diese Kundgebung heute vor allem eine Erinnerung an die Gründe für unseren Protest. Dass wir immer noch hier draußen sind, und es geht uns nicht gut. Dass wir Antworten brauchen, denn wir sind auch Menschen. (…) Wir sind enttäuscht, ausgeschlossen, diskriminiert, isoliert und unsere Grundrechte größtenteils verletzt. Wir können nicht länger in Angst leben. Wir haben nicht nach viel gefragt. (…) Alles was wir wollen sind Freiheit und grundlegende Menschenrechte. Die Möglichkeit hier zu bleiben, zu arbeiten, zu studieren und Teil der Gesellschaft zu sein!

Hawa Cramm, Protestcamp: Dieser Protest ist nicht kriminell. Wir demonstrieren hier für unsere Menschenrechte. Doch die sierra-leonische Regierung hat gedroht, die Aktivist*innen aus dem Protest in Deutschland zu inhaftieren, sollten sie zurückkommen. (…) Auch durch die deutschen Behörden werden wir kriminalisiert.

Hamado Dipama, Migrationsbeirat: Wir haben als Migrationsbeirat der Stadt München, den Oberbürgermeister und die Verantwortlichen der Stadt gebeten, die hier protestierenden verzweifelten Geflüchteten des Protestcamps, lokal eine Schutzperspektive zu gewähren, zum Beispiel durch die Schaffung eines Stadtasyls.

Als Reaktion oder Antwort darauf hat der Oberbürgermeister nur ein Schreiben an die Regierungspräsidentin von Oberbayern geschickt indem gefordert wird dass diese alle Geflüchteten aus Sierra Leone die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen eine individuelle Fallberatung und die Möglichkeit einer Legalisierung des Aufenthalts im Bundesgebiet zu prüfen.

Wir danken dem Oberbürgermeister zwar für diesen Einsatz aber uns stellt das auf keinen Fall zufrieden.

Nimet Gökmenoğlu, Stadträtin (Grüne) in Vertretung der Landtagsabgeordneten Gülseren Demirel: Die angekündigten Gesetzesänderungen im Bund würden die Unerträglichkeit der Maßnahmen gegen die Betroffenen aus Sierra Leone aber auch allgemein für Geflüchtete in ähnlicher Situation einiges ändern. Z.B. die Möglichkeit eines Aufenthalts auf Probe, der Wegfall der Arbeitsverbote etwa, sind wichtige Schritte in die richtige Richtung.
Hier in München haben wir Ihre Probleme und Bedarfe im Gespräch mit Ihnen abgefragt. In den ganz praktischen Bedarfen unterstützt, wie etwa die mangelnde Gesundheitsversorgung, der Schutz vor Kälte, sanitäre Situation oder auch die Corona-Impfung. Aber auch der Schutz vor Übergriffen, Schutz vor Schikane seitens einzelner Polizeibeamt*innen.
In all diesen ganz praktischen Punkten haben wir mit dem Protestcamp, mit den Flüchtlingsräten, Seebrücke, Helfer*innenkreisen aus Kirchen und Zivilgesellschaft, sozialen Diensten oder auch der Verwaltung eng zusammengearbeitet. Die Liste der Unterstützer*innen ist lang. Renate Spannig z.B., die am Königsplatz den Caritas Wärmebus organisierte oder der Kösk und die Auferstehungskirche hier im BA 8 Schlafplätze zur Verfügung gestellt haben. Es wurde Küche zur Verfügung gestellt. Spenden gesammelt, damit der Protest weitergehen kann. (…) An dieser Stelle will ich mich bei allen vom ganzen Herzen bedanken.
Schlafplatz, Küche, Infrastruktur wird weiterhin benötigt. Auch Arbeitgeber*innen, Ausbildungsplatzgeber*innen, die den Protestierenden Arbeits- und Ausbildungsplätze geben und an die Landesbehörden anschreiben und sagen, dass sie diese Menschen brauchen.

Barbara Likus, Stadträtin (SPD): Es ist unfair, die Ausbildung nur zu gewähren, wenn ein Pass vorgelegt wird, wenn gleichzeitig die sierra-leonische Botschaft keine Pässe ausstellt. Integration durch Arbeit ist ein Konzept, was in der Schwanthalerhöhe seit langem sehr gut funktioniert. Deshalb fordern wir mit dieser Mahnwache: Ausbildungserlaubnis statt Abschiebung!

Jana Weidhaase, Bayerischer Flüchtlingsrat: Geflüchtete, die selbst für ihre Rechte protestieren, sind sehr mutig. Mit ihrem prekären Aufenthalt schwebt das Risiko der eigenen Abschiebung meist über ihnen, sie erleben reale Sanktionen und Strafen. Die meisten Geflüchteten wagen es deshalb nicht, an Protesten mitzuwirken.

Seebrücke München: Wir begrüßen, dass Münchner Stadträtinnen und der Oberbürgermeister sich mit dem Protest der Geflüchteten in den letzten Monaten solidarisiert haben. Wir würden begrüßen, wenn der Sichere Hafen München sich weiterhin und verstärkt für die unsichere Situation der Geflüchteten aus Sierra Leone einsetzt und nach Wegen und Möglichkeiten sucht die Betroffenen vor drohenden Abschiebungen zu schützen und sich auf Bundes- und Landesebene für eine sichere Bleibeperspektive ein setzt.
(…) Die Botschaftsanhörungen, die im Oktober letzten Jahres in der Zentralen Ausländerbehörde statt gefunden haben und die die Abschiebungen der Betroffenen ermöglichen, verurteilen wir wie andere Organisationen auch als rassistische Praxis.